Samstag, 11. September 2010

Wie heißt Du? Wie geht´s Dir? Was hast Du gegessen? Hast Du einen Freund?

Wie heißt Du? Wie geht´s Dir? Was hast Du gegessen? Hast Du einen Freund? Dies sind die gängigsten Fragen in Kolumbien. Meistens genau in dieser Reihenfolge werde ich gefragt, wenn ich jemanden neu kennenlerne. Das Lustige ist, dass diese Fragen gewöhnlich sind und nichts mit Kontrolle oder Neugier zu tun haben, so wie ich es anfangs vermutet habe. Nein, es ist einfach ganz normal, über diese Dinge zu sprechen. In Deutschland spricht man übers Essen, wenn man kein anderes Thema hat, hier ist es ein völlig normal darüber zu reden. Meine besten Freunde fragen mich mittlerweile, was ich gegessen habe, nur um sich dann wieder an meiner Überraschung zu erheitern.
Die Frage "Wie gehts?" ist manchmal aber auch einfach nur rhetorisch gemeint und Teil des Grußes. Außerdem wird darauf meistens keine lange Antwort erwartet, sondern nur ein "Bien, bien", was bedeuten kann, dass es mir tatsächlicht gut geht, oder ich es einfach nur sage, weil für ein längeres Gespräch keine Zeit ist oder die Person nicht unbedingt jemand ist, dem man seinen Gefühlszustand ausführlicher schildern möchte. Am Anfang war ich immer überrascht, wenn mich alle möglichen Leute gefragt haben, wie es mir geht, aber das hat sich mittlerweile gelegt. Meistens frage ich nun auch alle ;-)...
Besonders lustig ist, dass sich viele in der deutschen Gemeinde auf Deutsch mit genau diesen Fragen begrüßen, sozusagen eine Deutsch-Kolumbianische Mischung aus allem...

Blond und blauaeugig

Ich selbst würde mich nie mit "Blond und blauäugig" assoziieren, hier ist es aber meist das erste, auf dass ich angesprochen werde. "Du hast so tolle Augen und so tolles blondes Haar". Wenn ich dann antworte, dass ich nicht blond bin für deutsche Verhältnisse, sondern dass Claudia Schiffer blond ist, ernte ich nur Gelächter und die Feststellung, dass ich für kolumbianische Verhältnisse natürlich total blond bin. Das bringt einerseits viele Vorteile, zum Beispiel, wenn ich in letzter Sekunde zum Bus laufe und der Busfahrer selbstverständlich wartet oder in der Universität wieder viele Kommilitonen mit mir einen Kaffee trinken wollen, weil ich eben die Ausländerin bin, die überall auffällt.
Es kann aber auch gefährlich sein, auffällig zu sein. Man muss eindeutig mehr Sicherheitsregeln beachten. Zum Beispiel, kein Taxi auf der Straße anhalten, nachts nicht alleine herumspazieren (was man so oder so in Bogotá vermeiden sollte), keine unbekannten Nummern zurückrufen usw. usw.
Ein großer Vorteil ist die Narrenfreiheit, die ich in der Universität habe. In der Bibliothek bekomme ich einen Laptop ohne meinen Studentenausweis, ich kann manche Prüfungen durch eine Hausarbeit ersetzen oder mündlich absolvieren. Sowohl die Sicherheitsleute als auch das Personal in der Bibliothek kennt mich mit Namen und meistens sprechen wir 3-4 Sätze darüber, dass ich in einem Jahr alle mit nach Deutschland nehmen werde.
Bisher fühle ich mich relativ sicher in Bogotá, meistens bevorzuge ich es aber, mit Kommilitonen unterwegs zu sein und nicht zu viele Dinge alleine zu tun, was eine ziemliche Veränderung ist. In Münster habe ich die meisten Sachen alleine gemacht, vor allem nächtliche Promenaden- oder Kreuzviertelspaziergänge. Daran ist in Bogotá nicht im Entferntesten zu denken. Aber es ist gut, eine völlig andere Lebensart kennenzulernen und mir gefällt es sehr gut, in Kolumbien zu leben und zu studieren.

Studium

Ein ganz wesentlicher Teil meines Lebens hier in Bogotá ist das Studium. Vieles am kolumbianischen Studium ist ganz anders. Es fängt damit an, dass man, um in die Universität zu kommen, seinen Studentenausweis vorzeigen muss und zum Verlassen der Universität seine Tasche öffnen muss. Diese Sicherheitskontrollen sind vorgeschrieben, um die Sicherheit der Studenten zu gewährleisten. Meistens komme ich aber auch so in die Universität, da mich aufgrund meiner Haar- und Augenfarbe alle schon von weitem erkennen ;-).
Die Kurse hier sind sehr viel kleiner, meistens sind wir mit 30 Studenten in einem Kurs, was etwa einer deutschen Schulklasse entspricht. Neben Zwischenprüfungen alle 6 Wochen, gibt es fast jede Woche eine Hausarbeit von 6-10 Seiten, eine Präsentation und Hausaufgabenkontrollen. Daran habe ich mich bisher noch nicht gewöhnt. Mir fehlt die Freiheit des deutschen Studiums. Außerdem sind viele meiner Kommilitonen viel jünger als ich, so dass ich mich manchmal in Schulzeiten zurückversetzt fühle. Die meisten Kommilitonen sind total nett und helfen mir mit ihren Notizen und in der Vorlesung.
Schön ist, dass man viel näher an den Professoren dran ist und man sich kennt. Der Nachteil ist aber auch, dass es zum Beispiel Anwesenheitskontrollen gibt und es natürlich sofort auffällt, wenn ich fehle. Ich bin niemand, der ständig fehlt, aber so ab und an lasse ich doch gern mal eine Vorlesung aus, um mich meiner Meinung nach wichtigeren Dingen zu widmen ;-).
Ein weiterer Unterschied ist, dass viele Vorlesungen schon um 7 Uhr anfangen. Für mich heißt das, dass ich um 5 Uhr aufstehen muss, was selbst für mich, die ich eigentlich keine Probleme mit Frühaufstehen habe, doch schon eher in den Bereich "Nacht" fällt. In 5 Wochen ist das erste Semester hier bereits vorbei und der Stress hoffentlich auch. Es ein anderes System und ich merke, dass ich dringend Ferien brauche, nachdem ich vom Semesterendstress Münsters in den Semesteranfangsstress Bogotás geraten bin.

Handy und Telefon

Mit Handys habe ich dieses Jahr kein Glueck, nachdem mein Handy Nr. 1 (2010) im Juni leider kaputtgegangen ist und mein Handy Nr. 2 (2010) mir in der 2. Woche Bogotá geklaut wurde, ist mein (kolumbianisches) Handy Nr. 3 (2010) zwar einfach zu bedienen und funktioniert einwandfrei, leider bekomme ich jedes Mal, wenn es klingelt einen kurzen Schock. Nicht, weil ich nicht gerne angerufen werde, sondern weil ich weiss, dass ich am Telefon noch weniger Spanisch verstehe als sonst. Die meiste Zeit meiner Telefonat muss ich meine Gespraechspartner darum bitten, alles zu wiederholen, langsamer zu sprechen oder mir eine Email zu schreiben.
Ein besonders lustiges Handy-Erlebnis aus der 2. Bogotá Woche mit Oscar war am Tag des Uni-Festes. Ich war todmuede (wenn ich muede bin, verstehe und spreche ich nur noch die deutsche Sprache), die Umgebung war ziemlich laut und ich habe versucht mit Oscar zu telefonieren und abzumachen, wo und wann wir uns treffen. Oscar hat versucht mir zu sagen, dass er es nicht zum Uni-Fest schafft, ich habe nichts verstanden und nur mit Ja, ist gut, dann bis spaeter, wir sehen uns beim Uni-Fest geantwortet. Meine beiden Europa-Austausch-Chicas Nine (Frankreich) und Marguerita (Oesterreich) haben sich nur ueber meinen verzweifelten Gesichtsausdruck und ueber meine unbeholfenen Antworten totgelacht. Oscar war natuerlich so freundlich trotzdem zum Uni-Fest zu kommen und meinte nur, er habe schon gemerkt, dass ich ihn nicht verstanden haette.

Waehrend ich in Deutschland am Telefon nicht zu bremsen bin und locker 2-3 Stunden pro Tag telefonieren kann, bin ich hier immer wieder froh, wenn das kolumbianische Gespraech moeglichst schnell vorbei ist und ich auflegen darf. Was mich unglaublich an meinem Handy Nr. 3 fasziniert, ist die sprechende Uhr (Reloj parlante) und eine eingebaute Taschenlampe, die unglaublich nuetzlich ist ;-).
Handy Nr. 4 (2010) wird zur Zeit aus Deutschland nach Kolumbien importiert und wird ab dem 1. Oktober in Betrieb genommen, so dass man mich ab diesem Zeitpunkt wieder per SMS aus Deutschland erreichen kann :-).

6. Woche in Bogotá - viel studiert und viel erlebt

So schnell vergeht die Zeit, nun neigt sich schon die 6. Woche ihrem Ende zu und ich bin sehr froh, dass ich sie gut ueberstanden habe. Sowohl eine Praesentation (ueber Immanuel Kant) als auch eine Zwischenpruefung (Derecho Internacional Público, Derecho del Mar) sind ueberwunden und endlich ist wieder Wochenende und ich habe genug Zeit, um die Stadt weiter zu erkunden. Zwei Erlebnisse, die diese Woche gepraegt haben, moechte ich kurz erzaehlen. Das erste Erlebnis betrifft das Busfahren hier in Bogotá, was man besonders waehrend der Rushhour als Krieg "Jeder gegen jeden" bezeichnen kann. Sobald sich die Bustueren oeffnen, zwaengt sich die verruecktgewordene Menschenmasse in den Bus, um einen Sitzplatz zu ergattern. Ihr koennt Euch alle vorstellen, dass ich dabei nicht besonders erfolgreich bin. Meine Bilanz (3 mal Sitzplatz in 6 Wochen) sieht denkbar schlecht aus. Noch bin ich meistens zu hoeflich, um mich vorzudraengeln oder sonstige Massnahmen zu ergreifen, um an einen Sitzplatz zu gelangen. Niemand nimmt ruecksicht auf niemanden. Am Dienstag habe ich jedoch eine Ausnahme erlebt, ich stand wieder mal in der Schlange an und als die Bustueren sich oeffneten, hat mich ein Maedchen vorgelassen, so dass ich weder erdrueckt wurde und sogar einen Sitzplatz bekam. Auf mein ueberglueckliches "Muchas Gracias" folgte ein "Ich sehe ja, dass Du nicht aus Bogotá bist, also dachte ich mir, ich helfe Dir ein bisschen..." Ein wirklich schoenes Erlebnis hier in der Grossstadt. Das andere Erlebnis ist meiner Meinung nach typischer fuer Bogotá. Ich war mit einer Freundin essen und wir kamen aus dem Café und ich habe gerade noch mein Portemonnaie in der Hand, um mein Wechselgeld zu verstauen, da werden wir auch schon angebettelt von einer Frau. Meine Freundin Diana hat mich samt Geldbeutel und Wechselgeld Gott sei Dank schnell zur Seite gezogen, untergehakt und ist mit mir schnellen Schrittes in Richtung Universitaet marschiert. Die Bettlerin ist uns noch eine ganze Weile gefolgt und Diana hat natuerlich mit mir geschimpft, was mir einfaellt, so offensichtlich mit dem Wechselgeld mitten auf der Strasse herumzuwedeln. Anhand solcher Erlebnisse sehe ich, dass ich noch viele deutsche Gewohnheiten habe, die ich unbedingt ablegen sollte, wenn ich nicht in Schwierigkeiten geraten will. Zum Glueck habe ich schon gute "Compañeros" gefunden, die ein bisschen auf mich aufpassen.

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