Sonntag, 6. März 2016

Karaoke und Oper, Woche 7 und 8

Schon wieder zwei Wochen um! Viele Erlebnisse und neue Erfahrungen liegen hinter mir und es war wirklich spannend.
In der siebten Woche war ich zum ersten Mal überhaupt Karaoke singen. Als Teil der vietnamesischen Kultur und beliebteste Freizeitaktivität in Asien, durfte ich das natürlich nicht auslassen und so hieß es an einem Samstagabend, auf geht´s zum Karaokesingen. Schon auf dem Hinweg kam ich allerdings etwas vom kürzesten und direktesten Weg ab. Dass ich den Treffpunkt dann mit 15 Minuten doch noch erreicht habe, war pures Glück, Zufall und wahrscheinlich irgendeinem inneren Kompass geschuldet, der mich Gott sei Dank nicht im Stich ließ, ganz im Gegenteil zu meinem vietnamesischen Handy, dessen Datenvolumen leider aufgebraucht war und mir bei googlemaps gar nichts mehr anzeigte. Nach der Ankunft der zweite Schock: unser Karaoke-Laden war geschlossen, nicht nur über Tet oder für ein paar Tage, sondern gleich für immer. Also hieß es, Alternativen suchen. Nach kurzen Überlegungen, einen Activity-Abend zu machen, entschieden wir uns für ein Karaoke-Etablissement in der Innenstadt und Charlotte sei Dank konnten wir ein Separée buchen. Beim ersten Anruf, bei dem wir es mit Englisch probierten, wurde sofort aufgelegt. Charlottes vietnamesischen Sprachkünsten sei Dank klappte es dann mit dem zweiten Anruf. Wir machten uns also mit zwei Rollern und einem Taxi auf den Weg zum Ziel und nach einer relativ entspannten Fahrt durchs abendliche Hanoi kamen wir an und schnappten uns die Songbücher, um Backstreet Boys, Michael Jackson und Co. zu performen. Zusammen mit Peggy habe ich auch sehr großartig Ronan Keating interpretiert (ja, es gibt auch Videobeweise). Von Eternal Flames über Phil Collins und The Lion sleeps tonight war auch wirklich alles vertreten und nachdem mir am Anfang noch kalt von der Klimaanlage war, kam ich doch sehr schnell mithilfe eines Biers in Sing- und Performance-Laune. Zusammen mit meinen Karaoke-Bodies war es auf jeden Fall einer der gelungensten und unterhaltsamsten Abende in Vietnam, der definitiv nach einer Wiederholung schreit. Am nächsten Tag, dem Valentinstag, stand neben einem gemütlichen Frühstück mit Sina in unserem Lieblingscafé eine Stadttour mit einer lieben Kollegin auf dem Plan. So viel und lange bin ich wohl noch nie durch Hanoi geschlendert. Bei Sonnenschein und dem ein oder anderen Kaffee/Saft ließen wir es uns richtig gut gehen. So langsam finde ich mich auch im Old Quarter Hanois mit seinen 36 Gassen und tausend kleinen Läden und Ständen zurecht.
Nur ein paar Tage später wartete schon ein weiteres Highlight auf mich, denn ich habe es tatsächlich auch hier geschafft, einem Chor beizutreten und so auch musikalische Kontakte zu knüpfen. Nachdem die Anfahrt sich wieder etwas kompliziert gestaltete und mit ein paar Mal Wenden in der rush hour verknüpft war, traf ich sofort auf einen jungen, sehr freundlichen Vietnamesen, dem ich erklärte, dass ich gerne mitsingen würde. Ich fragte, ihn dann, an wen ich mich wenden müsse und stand tatsächlich dem Chorleiter Huy gegenüber, der mich direkt aufnahm. Die ersten Proben fanden in einer katholischen Kirche statt und zu Beginn wurde jeweils immer ein kurzes Gebet gesprochen, was ich natürlich nicht verstand, abgesehen von Kreuzzeichen und dem Amen zum Schluss.
Mein großes Glück war es auch, dass genau dieser Chor, den mir eine Kollegin von der Botschaft vermittelt hat, zwei Konzerte in der Oper von Hanoi singt. Alles berühmte und schöne Stücke aus den bekanntesten Opern zusammen mit dem National-Orchester von Vietnam. Im Chor gibt es die üblichen Probleme. Italienisch ist schwierig auszusprechen, vor allem, wenn es mehr Text als Noten gibt und manche Männerstimmen mehr mit ihrer Frisur, ihrem Handy oder ihren Fingernägeln beschäftigt sind. Das piano wird zu langsam und schleppend gesungen und in der ersten Probe mit Orchester verpassen alle ihre Einsätze, weil man verzückt den Orchesterklängen lauscht, statt sich auf die Taktzahlen zu konzentrieren. Gerade im Chor und im Orchester spüre ich aber eine gemeinsame Verbindung mit allen Musikern, was wieder bestätigt, was man doch schon weiß. Musik ist einfach international.
Nach zwei Proben und einer weiteren Arbeitswoche ging es dann für Sina und mich nach Hoi An in Zentralvietnam (auch hier folgt noch ein gesonderter Beitrag).
In meiner achten Woche hier habe ich gemerkt, dass ich nun ein komplettes Leben hier habe und nun zum ersten Mal so etwas wie Routine aufkommt. An der Botschaft weiß ich nun, wie alles laufen muss und kann nun mit ein wenig Erfahrung auf meine Aufgaben schauen. Mit dem Chor und meinem English Talk in der Schule habe ich nun auch privat Aktivitäten gefunden, die mir viel Spaß machen. Ganz nebenbei habe ich natürlich tolle Menschen gefunden, mit denen ich mich über Gott und die Welt unterhalten, über Vietnam freuen oder aufregen oder auch mal nur „chillen“ kann. In unserem Lieblings-Banh-My-Café kennen uns die Kellnerinnen schon und wissen, was wir bestellen wollen und Roller fahren wird immer unkomplizierter, auch wenn mein vietnamesisches Handy trotz googlemaps meistens ziemlich versagt und mich im Stich lässt.

Als die Konzerte näherrücken, freue ich mich, dass Sina und Co. sich Karten für das Konzert besorgen, um als mein Fanclub in der Oper aufschlagen :-). Ich selbst erwische mich dabei, wie positiv aufgeregt und gespannt ich auf die Oper und die reinen Orchesterstücke bin. Es ist etwas ganz Besonderes, ein solches Konzert mitzusingen. Noch in der Generalprobe, die mit circa einer Stunde Verspätung beginnt, werden last-minute-Aktionen vorangetrieben. Man merkt hier wieder einmal die vietnamesische Improvisationskunst. Einer wird angewiesen, mit einem Hammer auf Metallplatten zu schlagen und prompt verpasst er mehrere Einsätze oder schlägt auch in der Generalpause ordentlich drauf. Die Holzbläser stürzen auch mehrfach ab bei offenliegenden Soli und der Dirigent ist entnervt und macht eine wütende Ansage. Trotz allem haben manche vietnamesischen Chorsänger noch die Nerven, während der Generalprobe auf der Bühne einen Anruf entgegenzunehmen. Auch abends zehn Minuten vor Konzertbeginn gibt es eine Motivationsansprache statt Einsingen, was anschließend noch kurz abgehandelt wird. Neben mir macht eine Amerikanerin noch kurz ein Selfie für Facebook, um es einen Moment später zu posten. Das nenne ich vietnamesische Gelassenheit. In der Konzertpause wird sich in Pose geworfen und es werden fleißig Selfies gemacht (die Ergebnisse könnt ihr bei facebook bewundern). Irgendwann werde auch ich als Selfie-Objekt interessant und das obwohl ich als einziges weibliches Chormitglied in schwarzer Hose und Oberteil und nicht im Kleid aufgetaucht bin.
Noch eine kurze Anekdote, bevor ich hier den Beitrag beschließe. Ich habe tatsächlich an meinem ersten größeren Sport-Event seit den Bundesjugendspielen teilgenommen und bin 1,5 km (ein kleiner Lauf für die Menschheit, ein großer Lauf für mich) gelaufen. Hintergrund war, dass es ein Aquathlon war und ich mit der Tochter unseres Lieblingskollegen laufen sollte, damit sie nicht alleine laufen muss. Vorher konnte ich mich noch damit beruhigen, dass Anna erst 5 Jahre alt ist, also dementsprechend wohl nicht so schnell laufen würde und ja auch viel kürzere Beine hat als ich. Nach einer halben Runde wurde mir bereits klar, dass die Rollenverteilung evt. doch anders sein würde, zumindest teilweise. Im Vorfeld hatte ich noch die Kraft-Methode meines Papas erklärt, mit der er uns früher immer motiviert hat, weiterzulaufen, zu wandern oder ähnliches. Es ist nämlich so, dass wenn man sich an den Händen fasst, der eine mit seinem Arm die Kraft zum nächsten überträgt. Anna war so begeistert von der Methode, dass sie mehrfach Hand in Hand laufen wollte. Allerdings muss ich zugeben, dass ich mir nicht mehr sicher bin, wer nun an wen die Kraft übertragen hat. Auf jeden Fall war es eine weitere großartige Erfahrung mit dem „Familie-Ferber-Team“.
Nun heißt es, Kraft sammeln für ein weiteres Konzert heute Abend und Endspurt für die letzten Wochen Hanoi und die sich anschließende Vietnam-Rundreise :-). Bis bald Ihr Lieben!

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