Montag, 25. April 2011

Das kolumbianische Handy-Phänomen

Ich möchte mich eigentlich nicht über die Kolumbianer beschweren, das gleich zu Beginn. Es sind nämlich nur ein paar Kleinigkeiten, die ich hier wohl nie verstehen werde und auch nicht verstehen will.
So zum Beispiel, das von mir benannte Handy-Phänomen. Es ist nicht nur so, dass viele Kolumbianer ein Black-Berry besitzen und auch während eines Gesprächs damit herumhantieren, nein, das ist noch längst nicht alles. Es beginnt damit, dass sie damit in einem Ohr Musik hören und sich angeblich mit dem anderen Ohr wunderbar auf ein Gespräch konzentrieren können. Wozu hat man auch zwei Ohren?!
Weiter geht es damit, dass man per Black Berry auch während einer Vorlesung mit seinem Sitznachbarn chatten kann oder aller Welt mitteilen kann, dass man sich gerade langweilt. Leider ist das Black Berry auch bei unseren Professoren beliebt, die zwar während der Vorlesung weitaus weniger dazu greifen als Studenten, aber es kommt dennoch vor, was mir unglaublich erscheint.
Der Höhepunkt des Handy-Phänomens findet jedoch vorzugsweise während einer Messe oder in einem Konzert statt. So schoß eine kolumbianische Dame letzte Woche meiner Meinung nach absolut den Vogel ab. Wir saßen in einem Konzert und ein Kammerchor sang gerade eine Palestrina-Messe während ihr Handy, was natürlich nicht auf lautlos gestellt war klingelte, was an sich ja auch schon schlimm und peinlich genug ist. Das allein genügte jedoch nicht, das besagte Dame natürlich den Anruf auch noch beantwortete, dass sie gerade beschäftigt sei und in einem Konzert und dass man doch später telefonieren könnte. Die um sie herum ertönenden Aufforderungen zum Auflegen, ignorierte sie ziemlich gekonnt.
Zugegebenermaßen ist das auch nicht normal in Kolumbien, dass man den Anruf beantwortet, es kommt aber schon sehr häufig vor, dass Handys klingeln, während der Vorlesung, während der Messe und während Konzerten...
Eine weitere Auspärungn des Handy-Phänomens ist, dass man sich, wenn man sich treffen will, wenigstens dreimal anruft vorher, 1. wenn man aus dem Haus geht, 2. wenn man ankommt und 3. wenn man sich trotz vorher abgemachten Ortes nicht findet. Außerdem fragt man auch immer zuerst, wie es dem anderen geht und beginnt nicht gleich mit "wo bist Du? oder "ich verspäte mich" ein kurzes "Cómo estás?" (Wie geht´s Dir) ist unumgänglich. Das ist natürlich nicht so praktisch, wenn man nur wenig Geld auf seiner Handykarte hat.
Um noch kurz eine praktische Seite zu erwähnen, muss ich von den vielen Handyständen erzählen, die man überall findet und von denen aus man ebenfalls anrufen kann, in Kolumbien gibt es nämlich nur wenige Telefonzellen (ich glaube sogar, ich habe noch keine gesehen,...). Vielmehr gibt es überall eben diese Handystände, bei denen die Handys meistens mit einer Schnur festgekettet sind und zu denen Matthias nur bemerkte, dass schnurloses Telefonieren eben in Kolumbien somit ada absurdum geführt wird ;-).

Osternacht in Kolumbien

Gestern war ich in der Osternacht, die 3 Stunden dauerte, was mich etwas überraschte, da die bisherigen deutschen Osternächte doch etwas kürzer sind.
Wir kamen also so gegen halb acht in die Kirche und es war schon so voll, dass wir nur Sitzplätze weit auseinander bekamen, nichts sahen und Natalia Stühle aus ihrer Wohnung holte, um sich setzen zu können. Ich wurde von ihr perfekt ausgestattet, mit einem Ausdruck aller 7 Lesungen auf spanisch mit deutscher Übersetzung, einem Buch für sämtliche spanischen Gebete und einer Kerze. Vor der Osternacht lernte ich auch den Priester kennen, der ausgesprochen hübsch war und dessen Parfum nicht nur Natalia gefiel ;-). Daraufhin erklärte ich ihr, dass in Deutschland die Priester sich nicht zur Begrüßung mit jedem Gemeindemitglied umarmen würden und auch nicht zum Friedensgruß, was natürlich Erstaunen hervorrief. Zur Vorbereitung der Osternacht, übten wir verschiedene Lieder ein. Was für mich als Notenabhängige hier immer etwas schwierig ist, weil es weder ein richtiges Liedblatt noch Noten gibt. Die Messe begann also mit der Segnung des Osterfeuers, die per Videokamera (!) in die Kirche übertragen wurde. Bei so vielen Menschen und so wenigen Stühlen wäre ein Verlassen der Kirche aber auch nicht möglich gewesen ohne anschließenden Kampf um die Sitzplätze. Beim Einzug in die Kirche erschienen aber alle schon so fröhlich und klatschten, dass die Auferstehung für mein Gefühl etwas vorverlegt war. Die 7 Lesungen und Lieder verliefen ohne nennenswerte Vorkommnisse, bis auf die Tatsache, dass trotz mehrfacher Aufforderung zum Ausschalten aller Handys, immer noch mehrere Personen per Black Berry im Chat unterwegs waren oder SMS geschrieben haben, ein (leider) typisches kolumbianisches Phänomen.
Ich glaube, ich habe noch nie einen Gottesdienst erlebt mit soviel Applaus und soviel Auferstehungsfreude. Besonders zum Friedensgruß und zu den einzelnen Liedern wurde die kolumbianische Herzlichkeit und Freude sichtbar. Dazu im starken Kontrast stand ein kleiner Streit, welches nun die richtige Schlange für die Kommunion sei und wer wen vorlassen müsste.
Insgesamt hat mir die kolumbianische Osternacht sehr gut gefallen, nicht weil alles perfekt durchorganisiert war, sondern vielmehr dadurch, dass alle mit dem Herzen dabei waren (abgesehen von den Handykandidaten ;-)...).

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Karaoke und Oper, Woche...
Schon wieder zwei Wochen um! Viele Erlebnisse und neue...
viktoria.kempf - 6. Mär, 07:57
Fazit: Die erste Hälfte...
Ich kann es kaum glauben, aber sechseinhalb Wochen...
viktoria.kempf - 19. Feb, 22:47
Woche 5 und 6 "und schon...
Ich fasse die letzten beiden Wochen mal zusammen, nicht...
viktoria.kempf - 17. Feb, 16:08
Woche 4
Besonderer Höhepunkt der Woche war wieder ein Workshop,...
viktoria.kempf - 3. Feb, 12:20
Woche 3
Die Zeit scheint zu fliegen, nun ist jedenfalls auch...
viktoria.kempf - 1. Feb, 15:07

Links

Suche

 

Status

Online seit 5523 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 6. Mär, 07:57

Credits


Profil
Abmelden
Weblog abonnieren